Herbstlaub
Seit einigen Tagen fegt bei uns ein starker Wind übers Land und mit diesem Wind lassen die Bäume unzählige ihrer Blätter los. Wie ein grobkörniger, bunter Schneefall zieht es an unserem Fenster vorbei, legt sich kurz auf den Boden, nur um mit der nächsten Böe erneut hochzuwirbeln und weiter zu tanzen.
Die Bäume bereiten sich so auf die kalte Jahreszeit vor. Um die kalte und wasserarme Jahreszeit besser zu überstehen, schalten sie auf Sparflamme, ihr Stoffwechsel verlangsamt sich fast bis zum völligen Stillstand. Chlorophyll, das nicht mehr benötigt wird, wird abgebaut, die Blätter beginnen sich zu verfärben, welken und fallen schließlich ab, bis der Baum im Frühjahr erneut austreibt und die Blätter erneut mit der Chlorophyllproduktion beginnen.
Während ich dem bunten Blätterspiel vor meinem Fenster zusehe, frage ich mich, welche Gewohnheiten ich wohl im Herbst loslassen sollte um meinen Organismus in die wohlverdiente Ruhepause schicken zu können. Ich empfinde die momentane Zeit als sehr turbulent, von Winterruhe keine Spur. Die Nachrichten sind wieder voll mit erschreckenden Meldungen aus dem Gesundheitssektor und ich erlebe viele Menschen, die große Angst haben.
Wie wäre es, wenn wir diese Angst wie Herbstlaub von uns schütteln und dem Organismus so ein wenig Ruhe und Kraft gönnen? Angst an sich ist ein lebensnotwendiger Schutzmechanismus, der unser Überleben sichert, indem der Körper in Alarmbereitschaft geht. Unser Blick schärft sich, Verdauungsprozesse werden hintan gestellt um die gesamte Energie der Muskulatur zur Verfügung stellen zu können, welche so auf Kampf oder Flucht optimal vorbereitet ist.
Was in der Notfallsituation hilfreich ist, kann im Alltag lähmen. Die ständige „Sprungbereitschaft“ des ängstlichen Organismus setzt uns einer enormen Stressreaktion aus. Es kommt zu einer Ausschüttung von Stresshormonen, welche sich nachweislich auf unser Immunsystem auswirkt, dieses schwächt und uns in weiterer Folge so anfälliger für Infekte macht.
Nun sind wir keine Bäume und unser Organismus schaltet – zumindest nicht mehr – von selbst in einen Ruhe- und Erholungsmodus, sobald das Wetter nasskalt wird. Stattdessen benötigen wir etwas Achtsamkeit und aktives Zutun. Ich persönlich beginne im Innenraum meine Familie und mich auf den Herbst einzustimmen. Wir basteln gemeinsam herbstliche Dekoration und gestalten einen Jahreszeitentisch. Abends lesen wir gerne Geschichten passend zum Jahreskreis und stärken uns Ende Oktober so zum Beispiel an der Vorstellung des Lichtschwertes, mit dem der Erzengel Michael das Himmelsreich vor einem hinterhältigen und bösen Drachen schützte. An trockenen Tagen verbringen wir unsere freie Zeit damit den Garten winterfest zu machen oder im Wald spazieren zu gehen. Beim Laub rächen und Beete zudecken können auch wir zur Ruhe kommen und langsam abschalten, ebenso bei einer wärmenden Tasse „goldener Milch“, die uns nicht nur mit ihrer sonnigen Farbe verwöhnt, sondern durch die entzündungshemmende Wirkung des Kurkuma unsere Abwehrkräfte nachweislich stärkt.
Es ist an der Zeit unsere Ängste wie Herbstlaub fallen zu lassen, das Laub aufzuschichten um im nächsten Frühjahr neue Vorsätze mit nährendem Kompost füttern zu können. Und wer weiß, vielleicht öffnet sich tatsächlich in den Tagen um Allerheiligen die Pforte zur Anderswelt und unsere Ängste können bei günstigem Wind hinfort getragen werden.
Was macht ihr, um euch auf die kalte Jahreszeit vorzubereiten und eure Ängste loszulassen?